Dienstag, 30. Mai 2006

Ein Leben, 649 Zeichen lang (ohne Leerzeichen).

Mit 15 küsst Laura ihn zum ersten Male. Noch vor dem Abitur wird sie schwanger. „Wir schaffen das“, sagt er. Laura schreibt es in ihr Tagebuch, malt ein Herz daneben. 3. Stock, zweite Tür links. Er wird Prokurist, Laura zum zweiten Male schwanger. Laura weiß nicht mehr, wo sie ihr Tagebuch gelassen hat. Eines Nachts kommt er nicht mehr nach Hause. „Was kann ich dafür, dass ich mich verliebe?“ sagt er am Telefon. Den Kindern schreibt er von Teneriffa aus: „Mama hat immer so viel Streit gemacht mit Papa.“ Laura gibt eine Kontaktanzeige auf. „Das dann doch nicht“, sagt der Mann mit der Rose in der Hand. Die Rose darf Laura behalten. Laura findet ein Tagebuch ihrer Tochter: „Ich halt es nicht mehr aus!“ steht da. Laura hofft, dass ihre Tochter das Abitur noch macht. Wenigstens.
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look at me!

Matrix.

Unheimlich, wie viele Menschen ihr Leben lang nicht hinaus kommen über das Schreiben von Urlaubspostkarten. Vielleicht reicht es der Welt tatsächlich zum Glück, wenn sie täglich ihre vier Stunden Glotze reingeschüttet bekommt. Die in die Hunderttausende gehende Gemeinschaft der Online-Gamer beweist mir, dass Menschen real mit einem tristen Viereck zufrieden sein können, wenn sie dafür virtuell Könige sein dürfen. Insofern ist "Matrix" für mich der visionärste Film des 21. Jahrhunderts. Und ich gäbe manches dafür, später der weiß gekleidete Architekt der Matrix zu sein. Und sei es in der Irrenanstalt. Wie Nietzsche. Ein Irrer, der alles weiß, der das Leben in seiner Tiefe durchmessen hat, bis es tiefer nicht mehr geht.

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