Dienstag, 2. Dezember 2008

Air.

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Am Leben sein, um zu lernen, wie man stirbt. Die Rischis im Himalaya vermögen das. Tempel, Hunderte von Jahren alt. Gebetsfahnen, wohin man auch schaut. Auf solcher Höhe scheint es einem leicht zu werden, den Körper zu verlassen.
Mir reicht bereits ein Kirchturm, um mich im Leben nicht mehr wieder zu erkennen. Wille und Gier, vereint im "Haben wollen", finden kein Ziel mehr. Fortwehen wie eine Feder könnte ich. All das Erarbeitete, es ist so leicht hinter sich zu bringen. Und man empfindet auch keine Reue darum. Was gewesen ist, kann so stehen bleiben. Vielleicht noch Reste von Furcht, natürlich. Aber wenn der Tod mich in dieser Höhe trifft, trifft er mich in Frieden.

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Katholik sein.

Kirche-1

Die Eltern knieten, die Tanten und Onkel, die Spielkameraden - also kniete auch ich. Meinen Glauben, ich habe ihn gefunden in den Augen anderer. Gäbe es nicht den Vater und die Mutter, Kirchen wären für mich leere Häuser. Weihnachten Hand in Hand zur Mitternachtsmesse. Nach der feierlichen Erstkommunion die erste Bibel. Weinrot. "Eine Luxusausgabe, hörst Du!"
Am Morgen meiner Firmung fahrplanmäßig der erste Flow. Aus Spielzeugpanzern wurden Friedenstauben. Ankunft im geistigen Wohlstand. Das Sakrament der Ehe noch verteidigt, als der Vater längst ausgezogen war.
Gottesbeweise geführt, Advocatus Diaboli gewesen, immer wieder Sämann... Mit den ersten Beerdigungen dann die Stille, und kein Weg mehr hinaus. Eingezogen ward ich in den Kreislauf des Lebens. Was einst stolz auf seinen Wert hin geprüft wurde, umschlang ich nun: "Jesus, gell?" Die Blindwütigkeit des Rosenkranzes.
Rom. Der Stellvertreter Christi auf Erden. Jahrtausende alt. Was bleibt mir mehr, als mich an das Ritual zu verschwenden? Katholik sein, für mich heißt das, Blutstropfen sein.

72,62 %...

...für den Mann mit der Mundharmonika. Der Jongleur mag besser gewesen sein. Aber dann hätte man die Sendung auch "Stars der Manege" nennen können.
Bisher war Franz Kafka mir ein Vorbild, wie ruhig er seinen nächtlichen Blutsturz erlebte. Nun spielt die Melodie viel zeitgemäßer: "Herr Doktor, mit Ihnen dauert ’s nicht mehr lange!" rief Kafkas Bedienerin beim Anblick des vielen Blutes. Das muss sich heute kaum einer mehr anhören. Jahrzehnte können wir nun vor uns hinhumpeln, einäugig und knapp bei Kasse. Neue Lieder für ein neues Sterben brauchen wir. Und der Mann mit der Mundharmonika hat das bisher schönste zur Aufführung gebracht, finde ich.
Wer weiß, vielleicht ist es mir ja tatsächlich nur gegeben, nach einer gefühlten Ewigkeit irgendwo ein paar Töne zu tun, damit mein Leben sich erfüllt hat.
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look at me!

Matrix.

Unheimlich, wie viele Menschen ihr Leben lang nicht hinaus kommen über das Schreiben von Urlaubspostkarten. Vielleicht reicht es der Welt tatsächlich zum Glück, wenn sie täglich ihre vier Stunden Glotze reingeschüttet bekommt. Die in die Hunderttausende gehende Gemeinschaft der Online-Gamer beweist mir, dass Menschen real mit einem tristen Viereck zufrieden sein können, wenn sie dafür virtuell Könige sein dürfen. Insofern ist "Matrix" für mich der visionärste Film des 21. Jahrhunderts. Und ich gäbe manches dafür, später der weiß gekleidete Architekt der Matrix zu sein. Und sei es in der Irrenanstalt. Wie Nietzsche. Ein Irrer, der alles weiß, der das Leben in seiner Tiefe durchmessen hat, bis es tiefer nicht mehr geht.

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